Samstag, 13. Oktober 2012

5,7 – Die Erde lebt


Wie stabil ist das CVJM-Haus eigentlich wirklich. Vor zwei Jahren hat das Gebäude des YMCA einen wahren Härtetest überstanden. Im Februar 2010 gab es das letzte Erdbeben mit einer Stärke von 8,9 und die Verwüstung war in den Städten, vor allem im Süden des Landes, verheerend. Die Erde wackelte für knapp fünf Minuten ununterbrochen, das Telefon- und Stromnetz brach zusammen und es gab etliche Nachbeben. Da macht man sich schon so seine Gedanke: „Was ist wenn und wie sollte man reagieren wenn es „mal“ bebt.“ In Deutschland wird einem nur beigebracht, wie man sich bei Feueralarm oder Überfall verhalten soll, aber bei einem Erdbeben? – Das ist für mich Neuland.

Diesen Mittwoch wurden wir vier aber aufgeklärt. Lulu, unsere „chilenische Mama“ hier vor Ort, hat mit uns viele organisatorische Dinge, aber eben auch das Thema Sicherheit mit uns besprochen. Was also tun, wenn der Boden unter den Füßen nicht still sein möchte? Nun ja, zuerst einmal muss man unterscheiden. Es gibt „Temblors“ (kleinere Erdbeben bis zur Stärke 7,0), die öfters vorkommen und „Terremotos“ (große Erdbeben mit einer Stärke über 7,0), wobei das Letzte, wie oben beschrieben,  erst vor kurzem war. Sobald so ein Erdbeben anfängt ist das wichtigste Ruhe bewahren und nicht in Panik durch die Straßen oder das Haus rennen, sondern seinen Kopf schützen und an einem sicheren Ort, an dem keine Sachen auf einen fallen können „verweilen“. Zudem ist es ratsam jederzeit eine kleine Tasche mit überlebenswichtigen Sachen in der Nähe zu haben wenn nach dem Erdbeben die Tsunamiwarnung rauskommt und man auf die Hügel gehen muss. 

So weit so gut. Das klingt alles sehr einfach und theoretisch. Letzten Endes haben wir die „Rettungstasche“ bis heute noch nicht, weil man sich denkt: „Brauchen wir eh nicht!“. Doch gestern wurden wir eines besseren belehrt: Es war ein ganz normaler Tag, wir saßen am Mittagstisch und genossen die Ruhe. Es gab Tortellini mit Gemüsesoße; eigentlich alles wie immer – bis ich merkte, dass mein Geschirr das klappern anfing. Nicht nur das, nein, der ganze Tisch, das ganze Zimmer, das Haus, die ganze Stadt wackelte. In so einem Moment gehen einem viele Gedanken durch den Kopf, aber ich glaube eines haben wir richtig gemacht: wir haben die Ruhe (mehr oder weniger) bewahrt und haben gewartet bis es vorbei war. Es dauerte gute 20 Sekunden und als der Boden sich wieder beruhigt hatte, hörten wir eine Stimme. Es war Christian, der für den „Guay“ arbeitet und nachsehen wollte wie es uns geht. Bei uns war alles okay, aber wir wollten natürlich wissen wie schlimm das „Erdbeben“ nun eigentlich war. Das konnte uns Christian auch nicht so auf die Schnelle verraten. Später erfuhren wir von Oskar, dass der „Temblor“ eine Stärke von 5,7 hatte. Für die Chilenen ist diese Intensität anscheinend nichts besonderes zumal es eigentlich jeden Tag  kleine „Erdbeben“ gibt, die wir bloß nicht spüren. Bis zu einer Stärke von 3,0 bemerkt man die Erschütterung also gar nicht. 

Dennoch, für uns war das alles am Donnerstag ganz schön aufregend. Im ersten Moment war ich etwas schockiert aber auch gespannt zugleich. Ich weiß ein Erdbeben ist nicht zu unterschätzen und die Folgen sind schlimm. Trotzdem war es für mich auch etwas „Interessantes“ sowas mal zu erleben, auch wenn ich hoffe, dass ich es nicht nochmal miterleben muss. Ich hatte am Donnerstagmittag nicht wirklich Angst, sondern eher ein Ohnmacht-Gefühl. Man fühlt sich total hilflos und ausgeliefert und merkt wie klein man eigentlich im Vergleich zur Natur ist. In Deutschland hatte ich dieses Gefühl ansatzweise wenn es in der Nacht gewittert hat. Gestern war es aber noch um einiges „intensiver".

Was mich sehr beruhigt ist die Prognose der Wissenschaftler, dass es in den nächsten Jahren höchstwahrscheinlich kein „Terremoto“ wie im Jahr 2010 in Chile geben wird. Von daher sehe ich es gelassen und falls die Erde sich doch dazu entscheiden sollte ein wenig zu wackeln, befolge ich einfach die Regeln.

In diesem Sinne, immer die Ruhe bewahren.

PS: Noch ein kleiner Link mit den offziellen Daten zum Erdbeben: 

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