Freitag, 23. November 2012

Wenn Süßigkeiten die Brieftauben beflügeln

Vor dem Auspacken
Gestern Abend kam bei mir zum ersten Mal richtige Weihnachts- bzw. Adventsstimmung auf. Der Grund dafür ist nicht der erste Schnee oder die Weihnachtsbeleuchtung, die mittlerweile in den Straßen hängen, sondern ein Packet mit fast fünf Kilogramm Inhalt, das seinen Weg nach Chile in einer Rekordzeit von unter zehn Tagen zurückgelegt hat. Da sind die meisten Briefe und auch Päckchen viel länger unterwegs oder kommen gar nicht erst an. Im Packet von meinen Eltern waren natürlich viele Süßigkeiten, vier Adventskalender und die besten Lebkuchen auf der ganzen Welt aus Wunsiedel. Letzteres haben wir auch gleich nach dem Öffnen probiert. Ich sage nur es war ein Genuss, ein Augenschmaus, ein Stück Heimat! :-)

An dieser Stelle vielen lieben Dank für dir tolle Post auch von den anderen drei Volis. Wir haben uns sehr gefreut! 

Nach dem Auspacken
Lebkuchenvekostung
PS: Hoffentlich kommt das Geburtstagspäckchen auch bald an.

Montag, 19. November 2012

Zu Hause mit 85 Gästen

Hostel des CVJM, zweite Tür von links ist unser Zimmer     
Häusliche Atmosphäre haben wir bis jetzt nur ab und zu in unserer "Vierer-WG" verspürt. Wir sind schon über zwei Monate im Guay von Valpo und dennoch fühlt es sich nicht so an als wäre man in einem richtigen Haus, da das CVJM-Haus ein öffentlicher Raum ist und wir im Prinzip eigentlich in einem Hostel wohnen. Dementsprechend haben wir fast  immer Beschallung, die einem mittlerweile gar nicht mehr auffällt, und seit neuestem auch immer öfter Besucher aus nah und fern, die meistens für ein paar Tage die Bettenlager als Übernachtungsmöglichkeit nutzen. Das hat Vor- und Nachteile zugleich. Zum einen gibt es dir die Möglichkeit, Kontakte zu jungen Menschen aus ganz Chile (meistens Schulklassen) zu knüpfen und sich gleichzeitig über Land und Leute zu unterhalten. Andererseits hat man das Gefühl, dass jemand in deine Privatsphäre "eindringt" und man nicht mehr so ungestört sein kann wie sonst. Dadurch wird das kurzzeitig aufkommende häusliche Gefühl immer wieder unterbrochen und manchmal ist es weniger ratsam mit den Besuchern ins Gespräch zu kommen. Das habe ich diese Woche selber "zu spüren bekommen": Eigentlich wollte ich bloß das Geschirr abspülen. Die Sache war nur, dass diese Woche ein Schuljahrgang mit über 85 Schülern im Hostel war und ich einen kleinen Plausch mit zwei Chilenen während des Abspülens angefangen habe. Lange Vorrede, kurzer Sinn - schlussendlich war ich umringt von einer Menschentraube - oder soll ich sagen "Chileninnen-Traube" - aus der ich mich nur unter Beihilfe von Leonie "retten" konnte. Nein, Spaß beiseite. Es war aber tatsächlich sehr interessant zu sehen wie sehr zwei Deutsche in Chile beschlagnahmt werden können. Am Ende mussten Leonie und ich noch als Fotomodell herhalten, weil jeder noch kurz vor dem Verabschieden ein Foto haben wollte. Mit über 1,80 Meter und blondem Haar sticht man einfach aus der Masse. So wurden also aus 15 Minuten abspülen, dann doch eine zweistündige Konversation, die durchaus gut für mein Spanisch war, ich mir das nächste Mal aber einmal mehr überlegen werde, ob ich ins Gespräch komme oder nicht, weil man schnell zum Objekt der Begierde werden kann und dann das Zimmer nicht mehr ohne Begleitschutz verlassen möchte. In diesem Fall hatte ich jedoch Glück; die Schüler reisten am nächsten Tag schon wieder ab.  


So viel also zu dem, dass immer etwas los ist und man nur ab und an eine richtig häusliche Atmosphäre verspürt, zumal die Zimmertüren auch immer abgesperrt werden müssen. Da war der gestrige Tag das komplette Gegenteil und ein wahrer Genuss. Wir waren bei Lulu, unserer "deutschen Mama" in Chile, zum Essen eingeladen. Abgeholt hat uns ihre Schwester Carolina, die wir schon von unserer Arbeit im Colegio her kannten. Die beiden wohnen zusammen mit ihrer Mutter in einem kleinen Reihenhaus, das sehr idyllisch und abgeschieden ist obwohl es mitten in Valpo liegt. Das Haus ist der Hammer! 
Lecker! Pollo mit Kartoffelgratin
Nicht nur die Aussicht, sondern auch die heimliche Stimmung mit dem Wohnzimmer, einer Terrasse und einem kleinen Garten haben mir sehr gut gefallen.Das gibt es im CV einfach nicht und da war es eine schöne Abwechslung für uns vier, das bei einem leckeren Mittagessen und später einem "tomar once" (kleines Abendessen) genießen zu dürfen. Wir hatten tolle Gespräche über Chile, Europa beziehungsweise die Welt an sich und freuen uns schon auf in zwei Wochen. Da sind wir zum Christbaum aufstellen und schmücken eingeladen. Das wird bestimmt toll! Dann kommt vielleicht sogar ein bisschen Weihnachtsstimmung auf. In den Läden werden zwar schon zig Weihnachtsartikel verkauft, doch bei 20 Grad Außentemperatur und Sonnenschein ist es schwer sich mit dem Gedanken anzufreunden, dass in gut einem Monat der Weihnachtsmann kommen soll. 



Zum Abschluss noch ein Foto zu viert mit Chile und Deutschland-Flagge. Die Aussicht, die wir vom Balkon aus hatten, möchte ich euch natürlich nicht vorenthalten.

Montag, 12. November 2012

Der Kampf gegen das Gewicht

Chilenisches Essen – das ist so ein Thema für sich. Es gibt unzählige Varianten und Formen: Von Choripán über Churrasco, Completo und Co. bis hin zum Pollo mit Reis ist jede der genannten Speisen ein wahrer Genuss. Nicht abzusehen vom leckeren Brot, das wir uns in Unmengen zu Gemüte führen. Nach „ENALI“ waren noch über 20 „Hallullas“ (Brötchen) übrig und man könnte meinen, dass diese Menge bis zum Ende der Woche lange würde. Aber weit gefehlt, nach nicht mehr als zwei Tagen war das Essen im Magen verstaut. Das klingt natürlich alles sehr lecker und das ist es auch; Problem ist nur, dass die chilenischen Delikatessen nicht die Gesündesten sind und man immer gut in Bewegung bleiben muss, um die eingenommen Kalorien auch gleich wieder abzutrainieren.


Schnipp, schnapp ...
Matthias und ich haben diese Woche eine andere und nicht von „Weight Watchers“ empfohlene Variante des Gewichtverlierens gewählt. Na, könnt ihr euch denken, was wir getan haben? Ich sage nur: Friseur. Ihr werdet jetzt denken, dass die paar Haare hin oder her nicht von Belangen sind. Bei unserer Mähne, die wir uns in den letzten zwei Monaten „zugelegt“ haben und dem Kurzhaarschnitt, der das Endresultat war, haben wir dennoch einige Kilo abgenommen. Der Friseurbesuch an sich war sehr entspannt und vor allem billig. Weniger als fünf Euro für einen Kurzhaarschnitt, davon kann man in Deutschland nur träumen. Auch die Befürchtungen, dass wir danach nur noch mit Mütze aus dem Haus gehen können, haben sich glücklicherweise nicht bewahrheitet. Wir sind beide sehr zufrieden mit unserer neuen Frisur und wollen diese euch natürlich nicht vorenthalten.
Das Foto ist heute zu Leonies Geburtstag entstanden. Wir vier waren heute bis zum Sonnenuntergang am Strand und haben den Abend mit Lobpreis und guten Gesprächen ausklingen lassen. Aber zurück zum Thema „Haare schneiden“: Matze und ich haben es schon „geschafft“.  Als nächstes sind die Mädels dran. Vielleicht werden wir als Team schon bald im neune Look auftauchen. Wer weiß, oder wie wir es hier sehr häufig hören: "A ver". Ihr werdet es spätestens auf den Bildern mitbekommen.

Natürlich versuche ich mich auch auf herkömmliche Art und Weise hier fit zu halten und an sich fällt das auch gar nicht schwer. Es gibt unzählige Möglichkeiten im Guay Sport zu machen und ich habe es auch endlich geschafft, eine halbe Stunde Basketball zu spielen. Das war ganz okay und es war lustig mit Chilenen Basketball zu spielen, die über 1,80 Meter groß sind. Das soll jetzt nicht böse klingen aber manchmal fühle ich mich von der Körpergröße her wie ein Dirk Nowitzki unter den Chilenen. Vom Spielerischen war die Partie Basketball für meine Verhältnisse auf sehr hohem Niveau und ich weiß noch nicht, ob ich mich in naher Zukunft wieder zum Basketballspielen aufraffen kann. Abwarten. 
Strandpromenade von Valpo
Zum Joggen kann ich es aber auf alle Fälle. Ich gehe sehr gerne und häufig am Strand beziehungsweise Meer entlang joggen. Um euch auch einen Eindruck von der Strecke zu geben, habe ich heute ein paar Fotos gemacht. Im November mit kurzer Hose und T-Shirt draußen Sport zu machen ist zwar ungewohnt, man kann sich aber dran gewöhnen. 

In diesem Sinne liebe Grüße aus dem immer wärmer werdenden Valparaíso,

Simon

Sonntag, 4. November 2012

ENALI – "Muchas Recreaciones"

 Die letzten vier Tage fand das Encuentro Internacional deLíderes im CVJM Valparaíso statt. Dieses Treffen von jungen Mitarbeitern gibt es jedes Jahr und ist normalerweise auf nationaler Basis. Es treffen sich Jugendliche aus den verschiedenen Guays aus ganz Chile. Anlässlich des 100-jährigen Jubiläums war dieses Jahr der CVJM Valpo der Veranstalter  und das „Encuentro“ wurde zu einem internationalen Treffen umgestaltet. Es waren Delegationen aus Uruguay, Peru und Kolumbien anwesend, wobei Uruguay mit über 20 Jugendlichen die Größte und mit Abstand die lauteste Delegation gestellt hatte. Wieso die Lauteste? Nunja, hier in Südamerika gibt es die sogenannten „Recreaciones“, die man hier sehr oft macht als eine Art Spiel mit den Kindern. Eine Person macht Bewegungen und Gesang vor, die anderen machen das Ganze dann nach. Normalerweise macht man das ab und zu einmal. 
Blick auf die Stadt vom Hügel Las Can
Zum Beispiel waren wir an einem Nachmittag auf dem Hügel Las Canas und haben mit den Kindern aus einem sehr armen Viertel diese Art „Spiel“ gemacht. Die Sache war bloß die, dass die Jugendlichen aus Uruguay fast ständig Recreaciones gemacht haben und man auch noch bis tief in der Nacht eine sehr laute Geräuschkulisse hatte. 

Um euch diese „Recreaciones“ einmal live oder wie es die Chilenen sagen „en vivo“ zu zeigen, habe ich ganz fleißig mit meinem Handy Videos gedreht. Ich hoffe, dass die Qualität nicht allzu schlecht ist und ihr mit den Videos einen kleinen Eindruck davon bekommt, wie die Stimmung die letzten Tage über war. Die Konferenz geht heute schon zu Ende und die einzelnen Delegationen reisen nach und nach ab. 
130 Jugendliche in der Turnhalle des CVJM
Insgesamt war das Treffen eine echte Bereicherung und wir konnten Jugendliche aus Iquique, Antofagasta, Concepción, Temuco und Uruguay kennenlernen.  An die 130 Jugendliche waren dabei und es war sehr interessant zu sehen, wie diese jungen Mitarbeiter sich in ihren CVJMs engagieren und gleichzeitig ihnen unsere CVJM Arbeit in Deutschland näher zu bringen. In Uruguay liegt das Hauptaugenmerk zum Beispiel sehr stark auf den Sport und auch die Freizeiten, die angeboten werden kennen keine Bibelarbeit oder ähnliches. Umso mehr hat es mich gefreut als wir uns gestern Nachmittag in Kleingruppen getroffen haben um eine theoretische Freizeit oder „Campamento“ zusammen zu planen und anschließend vorzustellen. Leonie und ich saßen zusammen mit den anderen Jugendlichen in einer Runde und bekamen einen Eindruck davon, wie eine Freizeit in den anderen CVJMs so aussieht. Gleichzeitig konnten wir von unseren Erfahrungen aus Deutschland erzählen. 
Dazu gehört ganz klar, dass es für uns sehr wichtig ist, dass zu einer Freizeit Gottes Wort ganz zentral ist und es jeden Tag eine Bibelarbeit gibt. Für einige Mitarbeiter war das neu, sie waren aber sehr offen und interessiert mehr darüber zu erfahren. Das Resultat war letzten Endes, dass unsere hypothetische Freizeit eine Andacht im Gepäck gehabt hat. 

Von daher konnten wir wirklich viel voneinander lernen. Ich für meinen Teil weiß jetzt, dass man mit den einfachsten Mitteln immer ein Spiel auf Lager haben kann. Die Recreaciones brauchen nicht mehr als gute Stimmung und eine laute, durchdringende Stimme. Auf der anderen Seite hoffe ich, dass die Mitarbeiter auch ein bisschen was aus christlicher Sicht mitnehmen konnten, zumal wir am letzten Tag auch die Andacht übernommen haben. 

In diesem Sinne. Liebe Grüße aus dem immer wärmer werdenden Chile.

Simon